Raya blieb unvermittelt stehen und sog tief die Luft durch ihre feine Nase ein. Sie kannte diesen Ort. Sie kannte sienen Geruch. Und sie kannte die Energie, die er ausstrahlte. Nur woher?
Sie ging ein paar Schritte zurück und nahm dann wieder ihre menschliche Form an. Der Saum ihres Kleides sank langsam zu Boden, als wäre sie von einer Windböhe umgeben. "Was ist das hier?", fragte sie. Noch immer lagen ein drohender Unterton und Wachsamkeit in ihrer Stimme, doch auch eine Spur unsicherheit. Sie vergaß doch sonst ncihts. Warum also konnte sie sich nicht an diesen Ort erinnern, der ihr so vertraut schien? Wie konnte sie wissen, dass sich hinter dem einen oder anderen Wandteppich eine kleine Geheimkammer befand oder dass die matt gewordenen garuen Marmorfliesen einmal weiß gestrahlt hatten? Warum wusste sie all das? War sie schon einmal hier gewesen?

Markus hob den Kopf. Der Schatten, den die Krempe seines Hutes warf, ließ siene Augen nur matt aufleuchten, als er sie öffnete, aber als er Elisa erkannte, fingen sie fast wie von allein an ein wenig zu glänzen. Er lächelte und ließ siene Waffe mit einer eleganten Bewegung in seine rechte Manteltasche gleiten, während er Elisa die andere Hand bot, um ihr aufzuhelfen. "Wie oft hab ich dir gesagt, du sollst mich nicht so förmlich ansprechen?", fragte er sie freundlich.

(Du bist so wundervoll x§ Das lied ist einfach nur geil und es passt ja wirklich gut x3)

Raya beobachtete ihn skeptisch bei seinem Tun, dann flackerte es irgendwo in ihrem Unterbewusstesein und sie legte sich die Hände auf die Schläfen. Plötzlich bekam sie heftige Kopfschmerzen und sank auf die Knie.

"Wird Zeit, dass du es dir merkst", meinte er nur und erhob sich dann. Mit einer fleißenden Bewegung glättete er seinen Mantel und zog den Hut wieder zurecht. Dann baute er sich nur ein winziges Bisschen vor ihr auf und verschränkte die Arme mit einem schiefen Lächeln vor der Brust. "So, Kleines...Und wofür woltest du nun an dein Gold?"

Sie schrie auf und rutschte über den schmutzigen Boden, wobei sie sich die oberste Hautschicht von den Armen riss. Ihre Kopfschmerzen quälten sie, aber immer emhr Bilder tauchten auf. Ovel. Elisa. Die Schöpfer. Der Saal, leuchtens und ausgeglichen.
Mit einem Sprung schwang sie sich in die Luft und der Körper eines riesigen grün, goldenen Drachens zerriss ihre schwache menschliche Hülle. Sie schlog Ovel wie einen Spielball mit einem Schlag eines ihrer gewaltigen Flügel heftig am eine Wand, in der er eine tiefe Einkerbung hinterließ. Sie setzte ihm nach, wobei ihr Körper fast den halben Saal füllte, und zerquetschte ihn beinahe in ihren mächtigen Klauen. "OVEL!", dröhnte ihre Stimme wie ein Donnergrollen und sie spürte, wie Macht sie durchströmte. "WAS HAST DU GETAN?!" Sie riss ihr Maul auf und brüllte das Chaos in ihren Klauen an, dass es fast einen Sturm auslösen konnte.

Er legte ihr einen ARm um die Schultern und zog sie mit sich nach draußen. "Stell dir vor, ich habe tatsächlich eine Idee. Hier in der Nähe habe ich eine Schänke entdeckt. Die sollten wir vielleicht ausprobieren."

Sie packte ihn noch fester und ignorierte weiterhin die Tatsache, dass sei seine Lebensenergie gerade aus ihm herauspresste. "Wozu das ales? Was hast du mit unserer Welt vor, Ovel?", fragte sie und ihre Nüstern blähten sich, als sie ihn anschnaubte und weiterhin mit ihren durchdringend grünen Augen musterte.

Markus lächelte und hielt ihr nach einem kleinen Marsch durch die morgendlichen Straßen Venedigs die Tür zu einer kleinen Gaststätte auf. Drinnen hob der Wirt müde den Kopf von der Theke und bemühte sich dann eilends, die schmutzigen Weingläser, die in seiner Reichweite waren, verschwinden zu lassen.
"Na dann sollte wir diese Erkenntnis mit einem angemessenen Frühstück würdigen", meinte Markus und warf dem Wirt einen Blick zu, der dann eine Magd anführ, schnell etwas Essbares auf den Tisch der beiden Gäste zu bringen.

Raya ließ ihn achtlos fallen und nahm neben seinem bizarr verkrümmten und geschundenen Körper wieder ihre menschliche Form an. Sie kniehte sich neben ihn und hob sein Gesicht an, sodass er gezwungen war, in ihren sonst so friedlichen, warmen Augen, absolute Kälte zu sehen. "Ich werde dich nciht töten. Zum einen weil icih es nicht kann, zum anderen, weil ich es nicht will. Das entspricht nciht meiner Natur, Ovel. Aber glaube mir, wenn ich dir eines sage: Diese, unsere Welt, würde untergehen, wenn Leben, Erde, Luft oder Wasser stürben. Mit dir verschwände lediglich alles Übel von dieser Welt. Aber das ist es nciht, wofür wir sie geschaffen haben, Ovel. Du, und alle anderen kamen nach uns. Nach mir und dem Tod. Wir sind die Ältesten dieses Rates und allen, was Existiert. Also maße dir nciht an, etwas in deine Hände nehmen zu wollen, was du niemals allein wirst tragen können." Sie ließ von ihm ab und ging einen Schritt zurück. "Und ich will dir noch eines sagen, Ovel. Ich muss dich nicht töten, um dich aus dem Rat zu befödern oder dein Tun zu beenden. Und du kannst mich hier festhalten, solange du willst. Ich werde nicht sterben. EInes Tages werde ich wieder frei sein und dann, Ovel, werde ich dich richten." Die Ruhe und die Kälte in ihrer Stimme, ließen keinen Zweifel daran, wie ernst und wie wahr ihre Worte waren. Und sie wusste, dass auch Ovel das nicht entgangen sein konnte.

Markus ließ sich ihr Elisa gegenüber in einen Stuhl fallen. "Nun, ich müsste lügen, wenn ich dir jetzt sage, dass ich keinen Wein zum Frühstück trinke. Er berauscht mich zwar, aber nicht in solchem Maße. Mittlerweile ist Wein wie Wasser für mich. Durstlöschend, wohlschmeckend und ein Genussmittel, um dessen Folgen ich mich nicht sorgen muss."

"Sag mir eines noch, bevor du gehts, Ovel", bat Raya ruhig und drehte sich in seine Richtung. "Warum tust du das alles? Warum trachtest du so danach, diese Welt für dich allein zu beanspruchen und zu besitzen?" Der Blick, mit dem sie ihn fixierte, ließ nichts von ihren Gedanken oder Emotionen erahnen. Sie sah ihn einfach nur unverwandt an, und doch lag ein Funke ihrer Güte darin, die sie von Natur aus besaß und mit der sie niemanden bevorzugte oder benachteligte.

Markus verschluckte sich an dem Stück Ciabatta, von dem er gerade abgebissen hatte. Er klopfte sich kurz auf die Brust und spülte dann alles mit einem Schluck Wein hinunter, ehe er Elisa erstaunt ansah. "Du hast deinen Lebtag keinen Wein getrunken?", fragte er und das Erstaunen stand ihm ins Gesicht geschrieben, wobei es wirklich selten war, dass ihm seine Beherrschung dermaßen entglitt.

"Gib mir eine vernünftige Antwort, Ovel. Die bist du mir schuldig, wenn du mich schon im eigenen Palast als Gefangene hältst!", rief sie ihm nach, machte aber keine Anstalten, ihm zu folgen. Es wäre ohnehin sinnlos gewesen.

Markus schob ihr wortlos sein Weinglas zu und sah sie erwartungsvoll an.

Raya seufzte. Es war doch zwecklos, vom Chaos Ordnung zu verlangen. Als Ovel den Palast verlassen hatte, durchschritt sie den langen Raum und ging durch eine der verborgenen Türen durch die vielen Gänge des Palastes. Wie konnte es sein, dass sich alles so verändert hatte? Wie hatte Ovel sie alle einfangen und unschädlich machen können?
Das Siegel an einer hohen Flügeltür erweckte ihre Aufmerksamkeit. Es war einer jener Bereiche, in die wirklich nur der zugehörige Geist zugang hatte. Auf diesem Siegel war die wahre Gestalt eines der Geister abgebildet. In diesem Fall handelte es sich um Rayas eigene Tür und der grün-goldene Drache war in einer feinen Schnitzerei eingefasst. Sanft strich ihre Hand über das Holz, das unter der Einwirkung von Ovel chaotischer Macht ein wenig gelitten, aber standgehalten hatte. Sie selbst wusste kaum noch, was sie hier verwahrt hatte. Zu lange schon, war sie nicht mehr hier gewesen.
Sie ließ ihre Kraft in das Siegel strömen und langsam öffnete sich ihr die Tür, die wieder hinter ihr zufiel, als sie sie durchschritten hatte. Eine Bibliothek erstreckte sich vor ihr und war in ein unwirklich friedliches Licht getaucht, das einen an einen sonnigen Tag im Wald erinnerte. Die gesamte Atmosphäre schien verzerrt, so wenig asste dieser Raum noch zum Rest des Palastes. Aber einst war alles ebenso strahlend gewesen wie hier.
Ein großes dunkles Buch, auf dem ein durch und durch schwarzes Siegel prangte, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Etwas sagte ihr, dass sie es nicht berühren sollte, doch sie wollte, MUSSTE sich an alles erinnern. Als sie das Siegel berührte, sprang ihr eine Kraft entgegen, die so gegensätzlich zu ihr selbst war, dass es sie beinahe umwarf, doch aus irgendeinem Grund schaffte sie es, das Siegel eines anderen Geistes zu öffnen.
"Du lässt mich frei? Warum, nach all dieser Zeit? Ich hatte dich doch gebeten, mich für alle Ewigkeit zu verbergen", sprach eine vertraute Stimme aus den Seiten des Buches zu ihr und sie spürte die andere Kraft, die sie umgab wie feiner Nebel.
"Vegib mir. Ich hatte vergessen. So wie auch du. Nur bin ich erst lang nach dir eingeschlafen und eben erst wieder erwacht", antwortete sie. Sie wusste, wer zu ihr sprach, doch wagte sie nicht, seinen Namen zu nennen, aus Angst, er zerbräche dann unter der plötzlichen Flut aus Macht und Erinnerung.
"Ich verstehe", flüsterte die andere Stimme. "Bitte sag mir...ist mein Körper noch auf dieser Welt? Sag mir nicht wo. Sag mir nicht meinen Namen. Sag mir nur, ob ich noch lebe", bat sie Raya.
"Du lebst noch", antwortete sie mit einem Schmunzeln. "Doch du hast vergessen. Dein Spiel ist geglückt, Gevatter. Tausende Jahre war deine Kraft sicher und niemand vermochte, dich zu finden oder auch nur deinen Körper als das zu erkennen, was du in Wahrheit bist. Und nicht einmal Ovel hat dich finden können, sonst sprächest du jetzt nicht zu mir."
"Gut", sagte die andere Stimme nur. Dann schloss sich das Buch wieder von allein. "Lass mich dich begleiten und bring mich zurück. Es wird Zeit, dass wir dieses Chaos beenden." Dann drang die schwarze Macht in sie ein und erfüllte Raya ebenso wie ihre eigene.
"Verzeih, doch wir müssen warten, bis die jüngste ebenfalls erkennt. Nur sie kann uns hier herausholen", gab Raya zurück und sie spürte die Enttäuschung des anderen Geistes, der nun in ihr Wohnte. "Nun gut. Dann warten wir."

Markus sah ihr amüsiert zu und nahm dann sein geleertes Glas zurück. "Ach herrje... So behandelt man doch keinen guten Wein. Man nippt nur daran und genießt Aroma und Wirkung. Das ist kein Wasser oder Fusel. Das hier ist etwas edleres, das eine entsprechende Behandlung verdient." Er winkte den Wirt heran, der schnell eine gefüllte Karaffe udn ein weiteres Glas auf den Tisch stellte und dann wieder verschwand. Markus schenkte Elisa ein und schob ihr dann das Glas zu. Dann goss er sen eigenes nochmals voll. "Trink, Mädchen, aber sachte. Genieße es. Atme den Duft tief ein und lass ihn auf dich wirken. Und lass dir Zeit. Nimm sie dir einfach."
Es war schon seltsam, wie väterlich Markus in diesem Moment klang. Er selbst wusste schon nicht mehr, wann er zuletzt mit jemandem so umgegangen war. Normalerweise mied er ja immer alle Menschen, abgesehen von den Huren, die ihn so manchen Abend verschönert hatten.