Mina setzte gerade dazu an etwas zu sagen als aus ihrer Tasche plötzlich die Titelmusik von Star Wars ertönte. Sie lächelte entschuldigend und griff nach ihrem Handy. Sie kannte die Nummer auf dem Display nicht und in Anbetracht dessen, dass fast jeder, den sie kannte von Dämonen ermordet wurde, war sie reichlich irritiert. Sie wendete sich mit einer entschuldigenden Handbewegung von ihrem Gegenüber und ging ein paar Schritte umd mehr oder weniger ungestört telefonieren zu können.
"Leon?! Woher zum Teufel hast du meine Nummer?
~Ich fluche soviel ich will! Und jetzt-
~Meine Nummer, woher?!
~Hast du dir 'halt besorgt'?!
~Warte, was hast du gesagt? Nein!
~Warum nicht?! Du fragst mich tatsächlich warum ich nicht zurück komme? Vielleicht liegt es ja an dir beschissenem Arschloch, das mich vor nicht ganz 2 Stunden vor die Tür gesetzt hat!
~Ich soll nicht so dramatisch sein? Bist du blöd? Du hast meinen Vater als dreckigen Dämon und Ausgeburt der Hölle beschimpft und hast mich dann rausgeworfen!
~Vergiss es, ich komm nicht zurück und wo ich bin sag ich dir schon mal gar nicht.
~Mir doch egal! Bye, Arschloch!"
Nach einem genervten Seufzen setzte sie sich wieder zu Miron. Erst trank sie einen kräftigen Schluck ihres Whiskeys, dann entschuldigte sie sich noch einmal.
Mit einem mal überkam Mina ein eigenartiges Gefühl, so als ob etwas unnatürliches gerade passierte. Sie hatte nie zuvor Kontakt zu einem Dämon gehabt, mit Ausnahme des Angriffs auf das Kloster natürlich, und konnte dieses seltsame Gefühl, das sie verspührte als Miron diese Schutzmauer errichtet hatte, aber sie spührte ganz deutlich, dass es von ihrem charmanten Trinkkompanen ausgegangen war. Skeptisch musterte sie den jungen Mann. "Was war das?"

Sam presste die linke Hand auf seine blutende Wange und blickte erschrocken auf den feuchten Fleck auf dem Tresen, wo sein Glas gestanden hatte. Das Eis war bereits wieder verschwunden. Das Glas war so gründlich zersprungen, dass kaum eine Scherben groß genug war, um mehr als einen kleinen Kratzer zu hinterlassen. Bis auf die, die sich in Sam's Wange gebohrt hatte.
Blake deutete darauf. "Ich würde nicht drauf drücken, du machst es nur schlimmer. Geh damit am besten zu einem Arzt." Dann beugte er sich ein Stück vor und sagte mit leiser, fester Stimme: "Und nenn mich nie wieder Phineas."
Er stürzte den Rest seines Getränks herunter, stellte das Glas auf den Tresen und schob sich durch die Menge in Richtung Ausgang.

Mina sagte nichts weiter, sah dem seltsamen Mann nur weiterhin skeptisch nach und mit einem mal wusste sie, wann sie dieses seltsame Gefühl schon einmal gehabt hatte. Beim Angriff der Dämonen. Miron konnte wahrscheinlich schon nicht mehr sehn, wie ihr bei diesem Gedanken jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. War das tatsächlich ebenfalls ein Dämon gewesen? Sie schauderte, warf noch einen Blick auf ihren kurzzeitigen Trinkpartner und bemerkte, dass dieser dabei war zu verschwinden. Fast gegen ihren eigenen Willen erhob sie sich von dem ranzigen Barhocker und schlich dem mittlerweile allzu verdächtigen Mann hinterher. //Sehr gut, Mina. Völlig Sinn und Verstand verfolgst du gerade einen potenziellen Dämon und das auch noch im Alleingang. Wirklich eine sehr gute Idee! -NICHT!" Trotz diesen Gedankenganges blieb sie dem Mann auf der Spur, war sogar dermaßen auf ihn fixiert, dass sie gegen einen anderen Besucher der Bar stolpperte. Hastig entschuldigte sie sich. //Hatte der Kerl grad Glassplitter im Gesicht? Egal, ich hab wichtigeres zu tun!// Schnell vergaß sie den uninteressanten Fremden und führte ihre Jagd fort.

Vor der Bar auf dem Bürgersteig blieb Blake einen Moment lang stehen, atmete tief durch und verzog das Gesicht. //New Yorker Autoabgase, der Geruch der unbegrenzten Möglichkeiten!//, dachte er zynisch. Auch das Licht lud nicht gerade zum Entspannen ein. Leuchtreklamen strahlten von fast jedem Gebäude. Auf den Straßen war jetzt das Nachtvolk unterwegs: vergnügungssüchtige Menschen voller Vorfreude auf eine Nacht in Saus und Braus und zwielichtige Gestalten, die jetzt ihre Arbeit aufnahmen.
Plötzlich musste Blake lächeln. Er hatte sich lange nicht mehr so gut gefühlt, so weit entfernt von allen Aufgaben und Pflichten. Er war froh, nicht sofort ins Hotel gegangen zu sein. Auch die Abwesenheit seiner Schwester betrübte ihn jetzt nicht. Sie hätte ihm wahrscheinlich vorgehalten, wie leichtsinnig es war, sich um diese Zeit in solchen Gegenden herumzutreiben.
Doch da war noch etwas anderes. Ein Kribbeln in seinem Nacken. Blake dachte nach. Es konnte eigentlich nur der Dämon von vorhin sein, der ihm jetzt folgte. Wahrscheinlich hatte das zerspringende Glas seine Aufmerksamkeit geweckt. Blake hoffte nur, dass er es ihm nicht übel nehmen würde. Er hatte schon Dämonen getroffen, die wie wildgewordene Kater ihr Revier verteidigten. Da half nur ausweichen, wenn man keinen Kampf riskieren wollte. Und das wollte Blake nun wirklich nicht.
Langsam schlenderte er die Straße hinunter. Wenn der Andere ihn einholen und mit ihm reden wollte, konnte er das tun. Wenn nicht, auch gut. Dann würde er sich seinen Weg allein suchen. Solange es nicht auf einen Streit hinauslief, war Blake alles recht.

Dankend nahm sich Blake eine Zigarette und ließ sich auch Feuer geben. "War eigentlich nicht beabsichtigt, aber ich kann's halt nicht leiden, wenn man mich vollquatscht und mir mit den "guten alten Zeiten" kommt." Er zog genüsslich an der Zigarette und beobachtete den Mann neben sich aus dem Augenwinkel. Er konnte das dämonische Blut ganz deutlich in ihm spüren, es war stark. Es war sicher besser, weiterhin vorsichtig zu sein, auch wenn sein Gegenüber im Moment nicht auf Streit aus zu sein schien. Blake spürte instinktiv, dass diesem Mann gegenüber Respekt angebracht war.
Gleichzeitig waren seine Sinne auch aufmerksam auf seine Umgebung gerichtet. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie noch immer verfolgt wurden. Es war nur ein leichtes Prickeln seiner Sinne, zu ungenau, um sagen zu können, ob es sich um einen Dämon, einen Jäger oder gar um einen Engel handelte - oder nur um einen neugierigen Mensch.

Mina war ihrem Verdächtigen bisher recht problemlos gefolgt. Sie war selbst davon verwundert, wie leicht es ihr fiel und so langsam zweifelte sie sogar an der Richtigkeit ihrer Vermutung, dieser Mann könnte ein Dämon gewesen sein. Sie wollte bereits aufgeben und verschwinden, als der Mann plötzlich seinen Schritt beschleunigte und zu einem nicht weit entfernt gehenden Mann aufschloß. Mina hatte den zweiten Mann zunächst gar nicht bemerkt, doch als sie Teile des spärlichen Gesprächs aufschnappte, wurde erneut ihr Interesse geweckt. Allen Anschein nach waren das tatsächlich beides Dämonen. Mina zögerte, sie befand sich noch in sicherer Entfernung, doch es fiel ihr zu schwer die beiden zu belauschen. Schließlich entschloß sie sich dazu näher herran zu schleichen. Sie wollte sich hinter einigen Mülltonnen verstecken, als sie eine Ratte, die in eben diesen Tonnen gerade nach Nahrung gesucht hatte, aufschreckte. Die Ratte sprang im hohen Bogen aus einer der Tonnen, machte einen Zwischenstop auf Minas Schulter und verschwand mit einem weiteren Sprung in den finsteren Gasse der nächtlichen Stadt. Zutiefst erschreckt und zu keiner konzentrierten, ruhigen Bewegung mehr fähig, stolperte Mina begleitet von metallenem Scheppern durch die Tonnen und landete bäuchlings direkt hinter den beiden Herren.

Mit einem leicht verdreckten Gesicht blickte Mina vom Boden hinauf zu ihrem wiedererlangten Gesprächspartner. "Hi.....", begrüßte sie ihn mit einem an Verzweiflung erinnerndes Kichern. Viele Möglichkeiten hatte sie nicht, besonders da sie gerade auf dem Boden lag und ihr zwei Dämonen gegenüber standen. Vorsichtig und bedacht langsam rappelte sie sich auf und schlug sich den groben Dreck aus der Kleidung und lächelte wieder vorsichtig. "Hmmm.... Ich hatte wohl schon weitaus klügere Ideen, als hier aufzutauchen." Wieder kicherte sie, begleitet von einem nervösen Nackenreiben. Sie schien kindlich naiv, als sei sie sich der Gefahr der jetzigen Situation gar nicht bewusst.

Forschend betrachtete Blake ihre gescheiterte Verfolgerin. Er erkannte in ihr das Mädchen, das er vorhin in der Bar gesehen hatte. Sie schien zum Glück nicht verletzt zu sein. Nur dreckig.
Er konnte sie nicht so recht einschätzen. Sie schien ihm sehr naiv zu sein, aber ihre Aura sagte ihm, dass sie nicht bloß ein Mensch war. In ihrer näheren Verwandtschaft musste es einen Dämon geben. Und doch konnte er das nicht mit dem Bild vereinen, das sie abgab: der Cosplay-Aufzug, das mädchenhafte Kichern, das naive Gehabe. Wer zum Teufel war sie?
Er verbiss sich jedoch jeden Kommentar und hielt sich im Hintergrund. Zumindest für den Moment.